„Europa am Scheideweg“

Immer mehr Egoismus, immer weniger Gemeinsamkeiten in Europa?
Steht die europäische Idee auf dem Spiel?

Diese Fragen wurden bei dem Senioren-Seminar der Mitglieder der KAB, der IGBCE Ortsgruppen Ruhrkohle, Freudenberg, Heilbronner Unterland, Bad Wimpfen, Heilbronn sowie der Fédération Nationale Energie et Mines – Force Ouvrière, vom 06.-08.September 2021 im Kloster Maria Hilf in Bühl bearbeitet. Nachdem unser Seminar wegen Corona schon zweimal verschoben werden musste, waren wir froh, dass es nun, wenn auch mit weniger Teilnehmern als sonst, überhaupt stattfinden konnte. Leider war nun unsere Haupt-Organisatorin Helga kurzfristig erkrankt und wir mussten ohne sie auskommen. Dank ihrer tollen Vorarbeit ging das aber auch mit Marlies, Ulf und Paul, die die Leitung auch ohne sie gut bewältigt haben. Dafür möchten wir uns an dieser Stelle recht herzlich bedanken.

Den Einstieg in das Thema übernahm Pfarrer Friedbert Böser, KAB Diözesanpräses aus Schwetzingen, der uns unter dem Thema: Europa der Christen? Vorbilder für ein „Europa der Christen“, den Märtyrer der Arbeiterjugend in Mauthausen, Marcel Callo, vorstellte. Er wurde 1921 in Frankreich geboren, nachdem er schon 1935 in die CAJ eintrat, 1938 Leiter seiner CAJ-Pfarreigruppe in Rennes wurde, kam es 1940-42 schon zu Spannungen zwischen ihm und dem Verband, weil er Ihnen zu „fromm“ war. 1943 wurde er dann zum Arbeitsdienst nach Deutschland einberufen. Eine seiner Prinzipien war: „Jeder arbeitet an dem Platz an den er gestellt worden ist“ und so fühlte er sich als Missionar, um anderen zu helfen durchzuhalten. Er sammelte seine Landsleute in Gebetsgruppen und wurde, weil er sich u.a. durch diese Aktivitäten als „Schädling für die NSDAP und das Heil des deutschen Volkes“ erwiesen hat, 1944 durch die Gestapo verhaftet und ins KZ Mauthausen verlegt. Hier starb er 1945 an Erschöpfung. In seinem kurzen Leben hat er sich nicht einschüchtern lassen und wurde auch deshalb 1987 in Rom selig gesprochen.

Das zweite große Vorbild das uns vorgestellt wurde, war Josef Cardijn, Gründer der CAJ/JOC. Er widmete sein Leben der Arbeiterjugend und schaute sich auch in anderen Ländern um, wie machen sie das? Durch regelmäßige Treffen, Beobachten, Zusammentragen persönliche Kontakte, war es ihm besonders wichtig, dass die Jugend ihr eigenes Schicksal selber in die Hand nahm.
Am nächsten Morgen begann Jean-Pierre Damm, Präsident des sozialen Dialoges für Rohstofffördernde Industrie aus Frankreich und Mitglied der Gewerkschaft Force Ouvriere, anhand einer aktuellen Umfrage, die der französische Präsident Macron 2018 in Auftrag gegeben hatte.

MIT DER FRANZÖSISCHEN BRILLE EIN BLICK AUF EUROPA UND DEUTSCHLAND

Einblicke in die Stimmung in seinem Land zu geben. Mit Sicht auf die Übernahme der EU Präsidentschaft 2022 wollte Macron ein Stimmungsbild erhalten. Dabei überraschte vor allem, dass die Jugend ein überwiegend positives Bild von Deutschland hat, was durch die Pandemie und die Hilfe der Deutschen für französische Patienten noch verstärkt wurde. Unter den Punkten:

  • Kann Frankreich Europa neue Impulse geben?
  • Wie entwickelt sich die Freundschaft zwischen Frankreich und Deutschland?
  • Stottert der europäische Motor?
  • Chancen und Aufbruch für ein Europa des 21. Jahrhunderts.

bekamen wir einen Eindruck, wie sich die Stimmungslage derzeit in Frankreich darstellt.
Pfarrer Paul Schobel, ehemaliger Betriebsseelsorger Rottenburg- Stuttgart, behandelte dann das Thema:

Populismus und Europa?

Dabei zeigte er uns anhand unserer Nachbarländer auf, dass der Anteil der Populisten in diesen Ländern wie auch in Deutschland besorgniserregend immer noch ansteigt. Welche Folgen der Einzug der Populisten von links und rechts in die Parlamente und auch in die EU hat, und wie wir mit Provokationen und Nationalismus umgehen können zeigte er uns sehr anschaulich. Wird die europäische Idee verraten und was folgt auf 70 Jahre Frieden in Europa in den nächsten 70 Jahren? Dieser Vortrag war sehr lebensnah gestaltet, zeigte Ursachen und Gründe bis hin zu praktischem Umgehen mit Populisten auf und gab uns auch praktische Tipps mit auf den Weg, wie man über zuhören, Ängste benennen lassen, behutsames Analysieren und Augen öffnen, Gefahren aufzeigen und mögliche Alternativen andeuten sowie kirchlichen Optionen die Sorgen dieser Menschen ernst nehmen und auf sie eingehen muss. Dabei gab er uns den Impuls mit: Wir müssen Salz sein, unbequem, denn schon Jesus hat uns gelehrt:

Ihr seid das Salz der Erde. Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man salzen?
Es ist zu nichts mehr nütze, als dass man es wegschüttet und lässt es von den Leuten zertreten.
Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein.
Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter;
so leuchtet es allen, die im Hause sind.
So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater
im Himmel preisen. (Matthäus 5,13-16)

Den Abschluss des Seminars gestaltete Katharina Gronemeyer, die von der IGBCE aus dem Landesbezirk Stuttgart zu uns gekommen war. Sie zeigte uns aktuelle Einblicke in die Internationale Gewerkschaftsarbeit der IGBCE Vier Aspekte der Arbeit standen dabei im Vordergrund:

 

  • Bilaterale Aspekte
  • Solidaritätsanfragen
  • Europa und
  • Global.

 

Für ein soziales Europa in dem es Chancengleichheit, faire Arbeitsbedingungen, Sozialschutz und soziale Inklusion gibt, und das sich einsetzt für soziale, umweltpolitische und menschenrechtliche Schutzmechanismen in Freihandelsverträgen. Da erfuhren wir auch die aktuellen Forderungen der Gewerkschaft und wie schwierig es ist, diese in der globalen Welt durchzusetzen, wo das schon in Europa kaum gelingt. Dabei bilden schon die unterschiedlichen Sprachen eine große Herausforderung an diese Arbeit mit vielen neuen Fakten, Impulsen und netten Gesprächen im Gepäck traten wir die Heimreise an und hoffen dass es auch in Zukunft wieder so lehrreiche Seminare in Präsenz geben wird.

Hans-Peter und Hanni Schäfter